Tod in Diessenhofen

# Tod in Diessenhofen

Die Dunkelheit war noch nicht gewichen, das Licht fahl,  als ich am Morgen des siebzehnten Augusts aus dem Hüsli trat. Es war so dunkel, dass ich die grobbehauenden, ausgetretenen Stufen nur mit Mühe sehen konnte. Sie waren unterschiedlich hoch, wodurch ich noch aufmerksamer darauf achten musste nicht zu stürzen. Ich roch die Feuchtigkeit der Nacht. Der Tau hing auf den Blättern der tiefhängenden Weiden und auf den wenigen Grasbüscheln die der intensiven Trockenheit der letzten Wochen getrotzt hatten. Mir fröstelte. Ich schlang die Arme um meinen Körper, was kaum etwas nutzte und stieg weiter zum Fluss hinunter. Er wirkte so harmlos, wie er so gemächlich dahinfloss. Später, wenn die Sonne hervorgekommen wäre, würde er jadegrün schimmern, aber zu dieser frühen Stunde lag er dunkel vor mir. Die Schatten darin waren Algenfelder die sich mit der Strömung bewegten. Ich betrat das Rheinufer. Krähen flogen kreischend über mich hinweg, als wollten sie mich warnen. Aber wovor? Ausser mir, war keiner hier. Die Hundebesitzer die die Promenade tagsüber bevölkerten, schlürften vermutlich noch genüsslich an ihrem ersten Morgenkaffee, nichtsahnend, was der Tag mit sich bringen würde. Unentschlossen wandte ich mich nach links. Später würde ich nicht sagen können warum, aber die Beton- und Stahlkonstruktion des alten Rheinbads zogen mich an. Düster ragten die Pfeiler aus dem fast unbewegten Wasser und ich schmeckte den Rost in der Luft. Flechten überzogen hier alles was dem Wasser ausgesetzt war. Es ging ein leichter Wind und dennoch drang der modrige Geruch in meine Nase. Hafengeruch.
An den warmen Sommertagen, tummelten sich hier die Menschen zu beiden Seiten des Stroms, Lachen und Schreien erfüllte dann die Umgebung. Jetzt, war nichts zu hören, ausser dem Wasser, das an die alten Steinstufen schwappte. Es klang wie Schmatzen. Gerade wollte ich weitergehen, da fiel mein Blick auf ihn. In mir regte sich instinktiv der Wunsch zur Flucht, aber ich musste hinsehen, näher treten, wenngleich mich vom Nacken her eine Gänsehaut überzog. Er schien sich in der Treppe verfangen zu haben und lag auf dem Rücken, der Kopf von mir weg Richtung flussabwärts. Ich sah eine Bewegung, erkannte aber, dass es nur der unbeirrbare Rhythmus der Wellen war. Blass und blutleer lag er da im bleichen Licht. Seine Augen waren offen, blickten aber starr, sahen nichts mehr. Mich gruselte es. Erst gestern hatte ich darüber reden hören, Augenzeuge zu werden, wäre mir nie eingefallen. Entgegen meiner Abscheu trat ich noch weiter zu ihm hin. Er war nicht gross, musste aber mal ein starker Bursche gewesen sein. Ich überlegte was zu tun sei und entschied, dass es nicht meine Angelegenheit wäre, deshalb löste ich meinen Blick und wandte mich ab. Mit schnellen Schritten ging ich weiter in Richtung der Brücke, und ließ den toten Fisch hinter mir zurück.

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